Straßenausbaubeträge - Wir schaffen die Einmalbeträge ab!
In vielen Gesprächen mit Genossinnen und Genossen, mit Besuchergruppen, Mitbürgerinnen und Mitbürgern aber auch kommunalen Vertreterinnen und Vertretern wurde ich auf diese Thematik angesprochen. Nicht alle haben sich dabei ‚per se‘ für eine vollständige Abschaffung ausgesprochen. So gab es z.B. in vielen Gesprächen auch die Anregung, den wiederkehrenden Beitrag zur Regel zu machen oder gar am alten System mit den Einmalbeiträgen festzuhalten.
Was jedoch alle Gesprächspartnerinnen und -partner gleichermaßen in deren Aussagen einte: Aufgrund der laufenden politischen Debatte habe es in vielen Gemeinden Unsicherheiten darüber gegeben, ob man eigentlich anstehende Straßenausbaumaßnahmen bis zu einer endgültigen Entscheidung aufschiebt. In manchen Gemeinden wurde seitens der Räte und Bürgermeister daher entschieden, beabsichtigte Maßnahmen bis zur Entscheidung des Landesgesetzgebers auszusetzen.
Jetzt herrscht Klarheit!
In diesen Tagen wurde bekannt, wie wir das Thema seitens des Landtages zukünftig regeln möchten: Die Einmalbeiträge sollen wegfallen, der wiederkehrende Beitrag wird ab 2024 zur Pflicht. Natürlich sollen die Gemeinden in Rheinland-Pfalz diese Umstellung möglichst zeitnah umsetzen, um anstehende Ausbaumaßnahmen nicht weiter aufzuschieben.
Das bei uns in Rheinland-Pfalz entwickelte und 1986 eingeführte Beitragssystem des wiederkehrenden Beitrages, welches es auch in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und im Saarland gibt, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Über 40 % der Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz wenden dieses System bereits an, Tendenz steigend. (Quelle: Kommunalbrevier Rheinland-Pfalz)
Dass die nun vorgelegten Gesetzesentwürfe so lange auf sich warten ließen, hing sicherlich zu großen Teilen damit zusammen, dass man nicht einfach ‚über Nacht‘ eine solche Jahrzehnte alte Rechtspraxis ändert, sondern auch hier mit Bedacht und Sachverstand vorgehen muss. Da muss es auch mal eine Opposition aushalten können, wenn Regierung und Parlament sich die nötige Zeit nehmen, um sachlich saubere und fundierte Lösungen zu treffen – so geschehen.
Ich möchte in den folgenden Absätzen ein paar Fragestellungen aufgreifen und – so gut und umfassend wie möglich – beantworten:
Worin bestand das Problem bei den Einmalbeiträgen?
Die Erhebung von einmaligen Straßenausbaubeiträgen gemäß § 10 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) hat in der Vergangenheit in konkreten Einzelfällen dazu geführt, dass sich beitragspflichtige Grundstückseigentümer mit einem hohen, grundsätzlich auf einmal zu zahlenden Ausbaubeitrag konfrontiert sahen.
Auch, wenn es z.B. im Wege der Stundung (unter Umständen sogar zinslos) bereits Möglichkeiten gab, die Belastung der Anlieger zu kompensieren und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beitragspflichtigen nachzukommen, war die Akzeptanz für Einmalbeiträge nicht sehr hoch.
Einmalbeiträge von 50.000 € und mehr für Straßenausbau?
„Horror-Summen“ dieser Art werden immer wieder angeführt, in vielen Fällen nicht belegt. Letztlich geht es aber um kommunale Selbstverwaltung und es gibt keine belastbaren Statistiken und Zahlen, in wie vielen Fällen solche Summen wirklich zustande kamen. Da die genauen Zahlen nicht bekannt sind, ist das Argument aber natürlich nicht von der Hand zu weisen und man kann bis heute nicht ausschließen, dass es Fälle in dieser Art und Höhe gibt. Den Regelfall dürften sie aber jedenfalls nicht darstellen.
Schon vor unserem Gesetzentwurf, der diese einmaligen Belastungen zukünftig abschafft, wurde jedoch schon einmal seitens des Ministeriums des Innern und für Sport (MdI) sowie seitens des Gemeinde- und Städtebundes (GStB) mehrfach versichert, dass Beträge im Bereich von 50.000 Euro wirklich riesige Grundstücke oder sehr intensive wirtschaftliche Nutzungen voraussetzen.
Hier ein Zitat aus der Stellungnahme von Prof. Driehaus (Vorsitzender Richter des Bundesverwaltungsgerichtes a.D. und Experte zum Beitragsrecht in Deutschland):
„Einzuräumen ist, dass in seltenen Ausnahmefällen ein Straßenbaubeitrag die Größenordnung eines mittleren fünfstelligen Betrags oder gar mehr erreicht. Das betrifft allerdings nicht Eigentümer kleinerer, einzig mit einem Eigenheim bebauter Grundstücke, sondern regelmäßig nur eher wohlhabende Eigentümer von großflächigen, intensiv z.B. gewerblich genutzten Grundstücken. Denn der Anteil an dem für eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme angefallenen Aufwand, der von den Eigentümern zu tragen ist, wird typischerweise nach dem sog. Vollgeschossmaßstab auf die anliegenden Grundstücke verteilt, d.h. nach einem Maßstab, der ausschlaggebend abstellt auf die Größe dieser Grundstücke sowie Art und Maß von deren baulicher Ausnutzung (Ausnutzbarkeit).
Sollte gleichwohl in einem Einzelfall eine Beitragserhebung zu einer unbilligen persönlichen oder sachlichen Härte führen, begründen teilweise recht großzügige gesetzliche Regelungen Erleichterungen von Stundungen über Ratenzahlungen bis zu (ggfs. teilweisen) Beitragserlassen. Das schließt – anders als Befürworter einer Abschaffung des Straßenbaubeitrags gelegentlich glauben machen wollen – in der Praxis eine übermäßige Belastung von Grundeigentümern aus, schließt insbesondere aus, dass sich Grundeigentümer zur Begleichung einer Beitragsschuld von ihrem Grundstück trennen müssen.“
Was konnte man als beitragserhebende Kommune nach derzeitigem Rechtsstand in solchen Fällen tun?
Besondere Belastungen, die für Beitragspflichtige entstehen, kann man nach aktuellem Rechtsstand (also bei hohen Einmalbeiträgen) bereits eindämmen. Folgende Instrumente stehen den Gemeindeverwaltungen zur Verfügung:
- Ratenzahlung/Stundung (§ 14 KAG – Verzinsung mit maximal 3 % über dem Basiszinssatz)
- Stundung nach § 222 AO
- Verzicht auf Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO
- Teilweiser oder sogar gänzlicher Billigkeitserlass (§ 227 AO) bei persönlicher oder sachlicher Unbilligkeit
Fazit des Gemeinde- und Städtebundes RLP in einer Bewertung zu dieser Frage: „Der armen Witwe kann geholfen werden. Von Existenzbedrohung kann nicht die Rede sein.“
Bei der ganzen Diskussion um diese Horror-Summen, die nur in besonderen Fällen entstehen (siehe Prof. Driehaus) und die durch entsprechende Billigkeitsmaßnahmen kompensiert werden können (siehe GStB), darf man jedoch nicht vergessen, dass auch niedrigere Beträge eine Be- und Überlastung darstellen können. Auch deshalb finde ich die Lösung mit dem wiederkehrenden Beitrag als die richtige.
Vorteil der wiederkehrenden Beiträge: Die o.a. Billigkeitsmaßnahmen für Härtefälle (wie z.B. die Stundung) setzten bislang ein aktives Tun der Betroffenen voraus. Es mussten Anträge gestellt und geprüft werden. Da die hohen Einmalbelastungen mit den wiederkehrenden Beiträgen wegfallen, werden auch die Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie unsere Verwaltungen in ihrem bürokratischen Aufwand entlastet. Die großen Belastungen Einzelner fallen mit der Systemumstellung automatisch weg.
Straßen werden doch von der Allgemeinheit genutzt – warum überhaupt Beiträge zahlen?
Grundlage für die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen ist § 10a KAG. In Absatz 1 ist geregelt:
Die Gemeinden können durch Satzung bestimmen, dass an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge (§ 10 KAG) die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils als wiederkehrender Beitrag auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden.
Wichtig im Zusammenhang mit der Nutzung der Straßen durch „Ortsfremde“ ist die Formulierung „nach Abzug des Gemeindeanteils“. Dieser Gemeindeanteil dient nämlich gerade dazu, die Beitragspflichtigen um den Anteil zu entlasten, der durch eine Nutzung der Straße durch die Allgemeinheit (Durchgangsverkehr) entsteht. Durchgangsverkehr und Anliegerverkehr werden also gegeneinander abgewogen und – je nach Verteilung der Nutzung – mit unterschiedlichen Prozentsätzen belegt. Das bedeutet, dass auch Anlieger, die wiederkehrende Beiträge leisten müssen, dies nur für den Anteil tun, der auf ihren Nutzungsanteil passt. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat hierzu folgende Ermessensspielräume festgelegt:
Für folgende typische Fallgruppen beträgt der Gemeindeanteil regelmäßig:
25% bei geringem Durchgangs-, aber ganz überwiegendem Anliegerverkehr,
35-45% bei erhöhtem Durchgangs-, aber noch überwiegendem Anliegerverkehr,
55-65% bei überwiegendem Durchgangsverkehr,
70% bei ganz überwiegendem Durchgangs-, aber nur wenig Anliegerverkehr.
Nach dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Abschaffung der Einmalbeiträge wird § 10a Abs. 4 KAG neu formuliert:
Der Beitragssatz wird ermittelt, indem die jährlichen Investitionsaufwendungen aller zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehörenden Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. Abweichend von Satz 1 kann an Stelle der jährlichen Investitionsaufwendungen vom Durchschnitt der im Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu erwartenden Aufwendungen ausgegangen werden. Weichen nach Ablauf dieses Zeitraums die tatsächlichen von den im Durchschnitt erwarteten Aufwendungen ab, ist das Beitragsaufkommen der folgenden Jahre entsprechend auszugleichen.
Auch in Zukunft gilt damit: Je mehr Allgemeinheit die Straße nutzt, desto weniger zahlt der Anlieger. Messbar wird das z.B. durch Verkehrszählungen. Das gilt auch bei den wiederkehrenden Beiträgen.
Für was genau zahle ich wiederkehrende Beiträge?
Bei dem wiederkehrenden Beitrag werden alle Anlieger des Straßennetzes (und nicht nur diejenigen an der ausgebauten Straße) an den Kosten des Straßenausbaus beteiligt. Kurzum: Es werden Abrechnungsgebiete erstellt. Für den Anlieger bedeutet dies, dass er zwar wiederkehrend (d. h. in der Regel jährlich) Ausbaubeiträge zu entrichten hat, die aber meist nur im zweistelligen oder unteren dreistelligen Eurobereich liegen. (Quelle: Kommunalbrevier Rheinland-Pfalz)
Ausbaubeiträge sind übrigens keine Steuern. Das macht nicht nur der Begriff „Beitrag“ deutlich sondern auch das Bundesverfassungsgericht hat hierzu bereits einmal gesagt (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668/10 –, BVerfGE 137, 1-29):
„Der Straßenausbaubeitrag gemäß § 10a KAG RP ist danach keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe […]. Die Abgabe für Verkehrsanlagen wird nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben erhoben, sondern speziell zur Finanzierung des Straßenausbaus, also für einen besonderen Finanzbedarf (vgl. BVerfGE 110, 370 <384>). […] § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG RP ermächtigt ausdrücklich zur Erhebung vorteilsbezogener Beiträge und gestaltet die Abgabenerhebung gegenleistungsbezogen aus, indem die jeweils auferlegte Abgabe vom Gesetzgeber dem Grunde und der Höhe nach mit dem Anfall der Kosten konkreter Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen für die Erledigung der Aufgabe des Straßenausbaus tatbestandlich verknüpft ist.„
Wichtig nochmal (siehe oben): Für den Anteil des Durchgangsverkehrs (also der Allgemeinheit) wird auch bei wiederkehrenden Beiträgen ein Gemeindeanteil abgezogen!
Ich habe gerade erst einen einmaligen Ausbaubeitrag gezahlt! Werde ich jetzt direkt beim wiederkehrenden Beitrag zur Kasse gebeten?
Bürger, die zuletzt eine einmalige Zahlung geleistet haben und bei der Umstellung erneut mit einem wiederkehrenden Beitrag belastet würden, sollen einen Verschonungszeitraum von bis zu 20 Jahren erhalten. Wer also erst gezahlt hat, soll nicht direkt wieder belastet werden.
Ab wann zahle ich die wiederkehrenden Beiträge?
Die Pflicht zur Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen tritt nach dem vorliegenden Gesetzentwurf bei den Gemeinden erst am 01.01.2024 ein. Viele Gemeinden haben bereits das System der wiederkehrenden Beiträge genutzt (etwa 40 % in RLP), andere werden sicher schon vor dem 01.01.2024 entsprechende Satzungen beschließen. Wer es genauer wissen möchte, wird sich nach In-Kraft-Treten des Gesetzes am besten beim Ortsbürgermeister und/oder dem Gemeinderat erkundigen. Auch die Verbandsgemeindeverwaltungen können hier sicherlich Informationen geben.
Was bedeutet das für die Kommunalverwaltungen?
Bei denjenigen Kommunen, die derzeit noch einmalige Beiträge erheben, kann einmalig durch die Systemumstellung voraussichtlich ein höherer Verwaltungsaufwand dadurch entstehen, dass für die Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge Abrechnungseinheiten festgelegt und Ausbaubeitragssatzungen entsprechend geändert oder neu erlassen werden müssen. Hierfür können Mittel aus dem Ausgleichsstock bewilligt werden, d.h. das Land soll die Gemeindeverwaltungen finanziell unterstützen.
Wie geht’s weiter?
Die Sorge vieler Menschen, gerade jener, die nicht über hohe Einkommen verfügen, kann ich absolut nachvollziehen. Es ist völlig richtig, dass die Belastungen durch die Heranziehung bei Straßenausbaumaßnahmen für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger eine enorme Herausforderung bedeuten können, die auch finanzielle Spielräume stark einschränkt. Diesen Umstand erkenne ich vollumfänglich an. Insbesondere bei einmaligen Beiträgen kann so etwas eintreten, deshalb ist meine Meinung: Das Modell der ‚Wiederkehrenden Beiträge‘ ist zu bevorzugen!
Der Gesetzentwurf liegt vor und wird nun das übliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Ich halte Sie natürlich weiterhin auf dem Laufenden!